Interview mit Cabin Experience über den Make It Lean Contest

Cabin Experience hat beim Make It Lean Contest 2019 den ersten Preis gewonnen mit der Idee, eine neue, nachhaltigere Form von Urlaub im Einklang mit der Natur zu erschaffen. Dafür hat das Team eine digitale Plattform entwickelt, die drei der wichtigen Player miteinander vernetzt:
1) Käufer und/oder Miteigentümer finden ihr perfektes Tiny House und dazu eine Möglichkeit, ihre Cabins über die Vermietung zu finanzieren, 2) Landbesitzer in naturnahen, wenig erschlossenen Gegenden finden eine Möglichkeit für ein zusätzliches Einkommen über die Platzierung solcher Cabins, und 3) Urlauber finden ein individuelles Reiseerlebnis fernab von Zivilisation und Massentourismus. Über die Entwicklung ihres Unternehmens am Startup Incubator Berlin (SIB) haben wir mit Javier Sanjurjo (JS) gesprochen:

SIB: Wie und wann habt Ihr als Startup-Team zusammengefunden, und wie seid Ihr zu Eurer Idee gelangt?

JS: Wir haben uns zunächst privat bei der Hochzeit von Freunden getroffen, und schon da gemerkt, dass die Chemie zwischen uns stimmte. Dann entstand die Idee, zusammen ein Startup zu gründen. Wir hatten beide schon Erfahrung in großen Unternehmen und wollten etwas Eigenes aufziehen. Und im Laufe der vielen folgenden Gespräche haben wir dann unsere geneinsame Leidenschaft für einen ökologisch sinnvollen Tourismus entdeckt, und daraus hat sich dann unsere Idee ganz natürlich entwickelt.

SIB: Wie habt Ihr vom Startup Incubator Berlin und vom Make It Lean Contest erfahren?

JS: Schon auf der gemeinsamen Suche nach unserer Startup-Idee haben wir den SIB kennengelernt – damals noch am vorigen Standort in Schöneberg. Dort waren wir zu Events wie dem UX-Testing und haben gemerkt, dass dies ein tolles Umfeld für uns sein könnte. Als dann dort der Make It Lean Contest wieder ausgeschrieben wurde, schien das der perfekte Weg, ohne großes Risiko unsere Idee einzubringen.

SIB: Was gab Ausschlag, dann wirklich mitzumachen?

JS: Wir fanden, wir könnten zu diesem Zeitpunkt ein bisschen Druck von außen gebrauchen, um alle Ideen in unserem Kopf endlich mal hervorzubringen und sichtbar zu machen. Vor allem: Wie würden wir unsere Story erzählen, wie wollen wir auftreten, wie mit unseren Kunden interagieren? Natürlich hat uns auch motiviert, dass wir mit den Workshops am SIB jede Menge gute Unterstützung bekommen würden.

SIB: Und wie habt Ihr Euch dann konkret vorbereitet?

JS: Oh, es war dann wirklich wie ein Full-Time-Job! Wir haben so viele Dinge gemacht: Die eigenen User-Befragungen im Freundeskreis, jede Menge Feedback eingeholt, immer wieder alles überarbeitet. Also wirklich ganz praktisch nach der Lean Methode: Build – Measure – Learn, und das in ganz vielen Zyklen.

SIB: Und welche Rolle hat dann noch Euer Video gespielt?

JS: Darin haben wir dann am Ende wohl wirklich die meiste Zeit investiert! Der Workshop dazu war wirklich super hilfreich, und dann sind wir 3 Wochen lang wirklich tief eingestiegen: Wir haben uns Bild- und Videomaterial aus öffentlichen Datenbanken besorgt, haben uns dann selbst um Schnitt und Vertonung gekümmert. Aber die ganze Arbeit hat sich ja dann auch gelohnt!

SIB: Das Video war dann so gelungen, dass Ihr über 25% aller Stimmen im Voting erhalten habt?

JS: (lachend) Na klar! Nein, wir haben auch sehr viel dafür unternommen in der Voting-Phase: Wir haben gezielt auf Facebook, LinkedIn und Instagram regelmäßige Posts gesetzt mit dem Hinweis auf die öffentliche Abstimmung. Wir haben auch „Cold Calls“ gemacht bei Multiplikatoren, Verbänden, Reiseveranstaltern usw. Dazu haben wir gezielt Journalisten angesprochen und Interviews im Radio und Fernsehen bekommen – auch in Spanien und Frankreich, wo mein Partner Charles und ich herkommen. Wenn ich auf Flugreisen war, habe ich im Wartebereich vor dem Einstieg einfach Mitreisende direkt angesprochen – so hatten wir schließlich viele Fans und Votes aus der ganzen Welt!

SIB: Und nach dem Sieg im Contest, wie ging es dann weiter?

JS: Wie gesagt, wir kannten den Startup Incubator Berlin ja schon vorher, und wir haben natürlich geplant, dass wir dann dort in die Förderprogramme aufgenommen werden. Es verlief dann auch wirklich wie im Lehrbuch: Wir waren zunächst im Programm Startup Now und haben uns dann erfolgreich auf das Berliner Startup Stipendium beworben.

SIB: Stichwort Lehrbuch – war denn die Lean Startup Methode (nach dem Autor Eric Ries) für Euch wirklich bedeutsam, oder ist das nur eine schöne Theorie?

JS: Wir kannten die Methode beide schon vor unserer Zusammenarbeit bei Cabin Experience. Da war es für uns ganz natürlich, den Lean Canvas immer wieder neu durchzugehen. Wir haben ja auch einige Weiterentwicklungen und Neuausrichtungen vollzogen, und dafür ist so ein strukturiertes Instrument schon absolut nützlich, um sich gemeinsam Klarheit über den künftigen Weg zu verschaffen.

SIB: Was waren in Eurem Weg am Startup Incubator die schönsten und die schwierigsten Momente?

JS: Sehr schwierig war natürlich für uns, dass wir mit Cabin Experience direkt in die Corona-Krise hinein gestartet sind. Der Tourismus kam global zum Erliegen, auch die größte Reisemesse der Welt in Berlin wurde abgesagt. Es gab und gibt große Verunsicherung, und die Spielregeln in diesem Markt ändern sich gerade massiv. Unsere wichtige Zusammenarbeit mit Partnern in anderen europäischen Ländern wurde durch die Reisebeschränkungen extrem schwierig. Aber mittel- und langfristig wird unsere Idee eines nachhaltigen, individuellen Tourismus in der Natur durch so eine Krise eher noch attraktiver werden. Wirklich am schönsten war in unserer Zeit vor Ort am SIB die tolle Zusammenarbeit mit den anderen Startups. Es gab keine Konkurrenz, sondern alle haben sich gegenseitig unterstützt und ihre Erfahrungen bereitwillig geteilt.

SIB: Und wo steht Ihr heute, rund ein Jahr nach dem Gewinn im Make It Lean Contest?

JS: Wir haben gerade unsere neue Website gelauncht, die unsere Vorteile für die Beteiligten (Cabin-Eigentümer, Landbesitzer und Reisende) genau erklärt. Unsere neuen Produkte richten sich in erster Linie an Leute mit Garten oder Grundstück, die auf der Suche nach einem extra-Raum zum Arbeiten oder zum Entspannen in der Natur sind. Die Modelle sind noch minimalistischer als traditionelle Tiny Houses, dafür preiswerter und sehr einfach zum Aufbauen (einige der Modelle kann man sogar selbst aufbauen). Bei allen Modellen bieten wir ein Basisprodukt mit Optionen, die man dazu bestellen kann. Anders als bei größeren Tiny Houses sind sie auch schnell zum Produzieren und damit innerhalb von ein paar Wochen erhältlich. Wir haben also ein Produkt am Markt, das funktioniert und mit dem wir voraussichtlich Geld verdienen können. Wir können es selber kaum glauben!

SIB: Wir haben immer an Euch geglaubt, und wir wünschen Euch auch weiterhin viel Erfolg!